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Ist der Mensch von Natur aus und universell egoistisch? Wann und warum kooperieren wir?

Zwei kürzlich erschienene Bücher, beide von Harvard-Professoren, suchen Antworten auf diese zeitlosen und grundlegenden Fragen, auch wenn sie sich ihnen aus unterschiedlichen Perspektiven nähern. In SuperCooperators argumentieren Martin Nowak, Professor für Biologie und Mathematik, und der renommierte Wissenschaftsautor Roger Highfield, dass Kooperation ein unverzichtbarer Teil unseres evolutionären Erbes ist, und stützen sich dabei auf mathematische Modelle.

In The Penguin and the Leviathan hingegen argumentiert der Juraprofessor Yochai Benkler anhand von Beispielen aus der Geschäftswelt und den Sozialwissenschaften, dass wir durch Kooperation letztlich mehr profitieren als durch das Verfolgen unserer eigenen Interessen.

Zusammengenommen bieten die Bücher starke und komplementäre Darstellungen der weitreichenden Wissenschaft der Kooperation.

Free Press, 2011, 352 Seiten“/>Free Press, 2011, 352 Seiten

SuperCooperators ist ein Überblick über Nowaks ehrgeizige, bahnbrechende Forschung, die eine traditionelle Sichtweise der Evolutionsgeschichte in Frage stellt – nämlich die, dass es sich um einen unerbittlichen Wettbewerb in einer Welt handelt, in der jeder jeden frisst. Vielmehr schlägt er vor, dass Kooperation das dritte Prinzip der Evolution ist, nach Mutation und Selektion. Sicher, Mutationen erzeugen genetische Vielfalt und die Selektion wählt die Individuen aus, die am besten an ihre Umwelt angepasst sind. Doch nur die Kooperation, so Nowak, kann die kreative, konstruktive Seite der Evolution erklären – diejenige, die von Zellen zu vielzelligen Lebewesen, zu Menschen, Dörfern und Städten geführt hat.

Das Leben, so legt seine Forschung nahe, ist durch ein außergewöhnliches Maß an Kooperation zwischen Molekülen gekennzeichnet. Tatsächlich widmet Nowak ein Kapitel dem Krebs, der nichts anderes ist als ein tödlicher Zusammenbruch der Zusammenarbeit auf zellulärer Ebene.

Warum ist also die Zusammenarbeit so wichtig für unser Überleben? Die erste Hälfte von SuperCooperators beantwortet diese Frage, indem Nowak und Highfield fünf Wege aufzeigen, wie sich Kooperateure einen evolutionären Vorteil verschaffen: durch direkte Gegenseitigkeit („Ich kratze dir den Rücken, du kratzt mir den Rücken“), indirekte Gegenseitigkeit/Reputation („Ich kratze dir den Rücken, jemand anderes kratzt mir den Rücken“), räumliche Selektion (Gruppen von Kooperateuren können sich durchsetzen!), Gruppenselektion (Gruppen, die aus Kooperateuren bestehen, können sich durchsetzen!) und „Verwandtenselektion“ (enge genetische Verwandte helfen einander).

SuperKooperateure beschreibt nicht nur, was Nowak während seiner aufregenden akademischen Reise entdeckt hat, sondern auch die Reise selbst – es ist seine wissenschaftliche Autobiographie sowie eine Biographie des Fachgebiets und seiner herausragendsten Persönlichkeiten. Für Uneingeweihte in Mathematik und Naturwissenschaften mag das Buch an einigen Stellen etwas technisch anmuten. Dennoch ist es insgesamt ein lesenswertes und anregendes Buch, das sich besonders für Leser lohnt, die sich für die evolutionären Wurzeln der Kooperation oder einen Einblick in die Welt der Wissenschaft interessieren.

In The Penguin and the Leviathan gibt Benkler auch einen Überblick über die Forschung an der Schnittstelle von Evolution und Kooperation und zitiert dabei gelegentlich Nowaks Arbeit. Dennoch stützt sich Benkler stärker auf Forschungen aus den Sozial- und Verhaltenswissenschaften – vor allem aus den Bereichen Geschichte, Technologie, Recht und Wirtschaft.

Crown Business, 2011, 272 Seiten“/>Crown Business, 2011, 272 Seiten

Der Titel des Buches stammt von Tux, dem Pinguin, dem Logo der freien, quelloffenen Betriebssystemsoftware Linux. Tux symbolisiert die inhärent kooperativen, kollaborativen und großzügigen Aspekte des menschlichen Geistes und beginnt laut Benkler „an der düsteren Sicht der Menschheit zu knabbern, die Thomas Hobbes‘ Leviathan Leben eingehaucht hat.“ Das Buch zielt darauf ab, „den Mythos des universellen Egoismus“ zu entlarven und deutlich zu machen, dass Kooperation den Eigennutz übertrumpft – vielleicht nicht immer und nicht für jeden, aber weitaus konsequenter, als wir lange Zeit dachten.

Benkler erzählt, dass in einem beliebigen Experiment, bei dem die Teilnehmer die Wahl zwischen egoistischem und altruistischem Verhalten treffen müssen, nur etwa 30 Prozent der Menschen sich egoistisch verhalten, und dass in praktisch keiner der bisher untersuchten menschlichen Gesellschaften die Mehrheit der Menschen sich konsequent egoistisch verhalten hat. Darüber hinaus weist er darauf hin, dass die Hinweise in einer Situation bei der Vorhersage von Kooperation stärker sein können als Persönlichkeitsmerkmale: In einer Studie, in der die Teilnehmer ein Spiel spielten, bei dem sie kooperieren oder konkurrieren konnten, kooperierten nur 33 Prozent von ihnen, wenn das Spiel „Wall Street Game“ hieß, während 70 Prozent kooperierten, wenn es „Community Game“ hieß.

In einem leicht fließenden, unterhaltsamen Stil erläutert Benkler die wichtigsten Bestandteile, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit ermöglichen, wie Kommunikation, Empathie, soziale Normen, Fairness und Vertrauen. So erfahren wir beispielsweise, dass die Kooperation der Studienteilnehmer bei einem Spiel, bei dem sie kooperieren oder konkurrieren können, um dramatische 45 Prozent ansteigt, wenn sie von Angesicht zu Angesicht kommunizieren dürfen. Die Forschung zu sozialen Normen ist besonders überzeugend: Wenn den Steuerzahlern gesagt wird, dass ihre Mitbürger ihren gerechten Anteil an den Steuern zahlen oder dass die Mehrheit der Steuerzahler es für falsch hält, zu viele Steuerabzüge geltend zu machen, geben sie bei ihren Steuern ein höheres Einkommen an.

Aber Benkler beschränkt sich in seinem Buch nicht nur auf die Auswertung wissenschaftlicher Studien. Er liefert auch zahlreiche Beispiele aus der Praxis, die die Wissenschaft zum Leben erwecken, so dass sich das Buch wie ein praktischer Leitfaden für die Gestaltung kooperativer menschlicher Systeme liest. Von kiva.org über Toyota und Wikipedia bis hin zu CouchSurfing.org und Zipcar zeigt er, wie Organisationen, die auf Kooperation statt auf Anreize oder hierarchische Kontrolle setzen, außerordentlich effektiv sein können.

Weder Nowak noch Benkler sind naiv, was die Aussichten der Kooperation angeht. Sie erinnern uns daran, dass es immer egoistische Menschen geben wird, und dass die Zyklen der Zusammenarbeit immer wieder zu- und abnehmen werden. Außerdem sind „gut“ und „kooperativ“ nicht unbedingt gleichbedeutend – unsagbar grausame, unmenschliche Taten wurden von Menschen begangen, die zutiefst „kooperativ“ waren (man denke an Nazi-Deutschland, die UdSSR, den Völkermord in Ruanda).

Allerdings sind beide Autoren optimistisch, was die Macht und das Versprechen der Kooperation angeht, und stimmen darin überein, dass die Welt heute mehr denn je Kooperation braucht: Die größten Probleme unserer Zeit – wie der Klimawandel, die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen und der Hunger – können nur gelöst werden, wenn die Menschen ihre Eigeninteressen zurückstellen und zusammenarbeiten. Sowohl „SuperCooperators“ als auch „The Penguin and the Leviathan“ vermitteln uns ein Verständnis für die zentrale Bedeutung der Zusammenarbeit im Leben – und sollten uns dazu inspirieren, die Wissenschaft der Zusammenarbeit für das Allgemeinwohl zu nutzen.

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