Nutrigenomics. Die Grundlagen.

Warum ist das wichtig?

Nutrigenomik (auch bekannt als Ernährungsgenomik) ist allgemein definiert als die Beziehung zwischen Nährstoffen, Ernährung und Genexpression. Mit dem Start des Humangenomprojekts in den 1990er Jahren und der anschließenden Kartierung der menschlichen DNA-Sequenzierung wurde das „Zeitalter der großen Wissenschaft“ eingeläutet und das Feld der Nutrigenomik, wie wir es heute kennen, in Gang gesetzt.

Obwohl sich ein Großteil des anfänglichen „Hypes“ um die Nutrigenomik noch nicht bewahrheitet hat, ist das Feld nach wie vor im Entstehen begriffen und entwickelt sich rasch weiter, wobei es das Potenzial hat, den Grundstein für wirklich „personalisierte“, auf den Einzelnen zugeschnittene Ernährungskonzepte zu legen. Sie bringt auch ethische und rechtliche Herausforderungen mit sich. Es besteht die Gefahr, dass personenbezogene Daten missbraucht werden, und es stellt sich die Frage, ob es angemessen ist, auf bestimmte genetische phänotypische Prädispositionen zu testen, wenn es keine bewährte „Behandlung“ gibt. Daher muss sich ein breites Spektrum von Interessengruppen mit dem Thema befassen, von Regierungen über Ernährungswissenschaftler und Diätassistenten bis hin zu Hausärzten und Forschern.

Das hypothetische Potenzial der Nutrigenomik für eine Veränderung des Gesundheitswesens ist so groß, dass ein Weißbuch des britischen Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 2003 prognostizierte, dass mit einem besseren Wissen über die Genetik „Behandlung, Lebensstilberatung und Überwachung zur Krankheitsvorbeugung dann auf jeden Einzelnen zugeschnitten werden könnten“. Die Gründung länderübergreifender Organisationen wie der European Nutrigenomics Organisation (NUGO) und der International Society for Nutrigenomics & Nutrigenetics hat dazu beigetragen, die Infrastruktur und die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Nutrigenomforschung auszubauen. Angesichts der zunehmenden globalen Belastung durch ernährungsbedingte nichtübertragbare Krankheiten könnte die Nutrigenomik dazu beitragen, nachhaltigere Ansätze zur Förderung einer Ernährungsumstellung auf Bevölkerungsebene zu entwickeln, auch wenn der Mangel an experimentellen Studien am Menschen nach wie vor ein Hindernis für die Umsetzung von Forschungsergebnissen in Politik und Praxis darstellt.

Wie funktioniert die Nutrigenomik?

Neben der Wirkung von Genen auf den Phänotyp (d. h. die physische Ausprägung genetischer Merkmale) können Gene auch auf Umwelteinflüsse reagieren, zu denen auch die Ernährung zählt. Zu den wichtigsten Nährstoffen gehören diejenigen, die am Ein-Kohlenstoff-Zyklus beteiligt sind, wie Folat, Cholin und die Vitamine B2, B6 und B12, und andere wie Vitamin A, das die Genexpression reguliert. Auch allgemeinere Ernährungsmuster wie Diäten mit einem hohen glykämischen Index (GI) wurden mit der Genexpression in Verbindung gebracht, z. B. der Zusammenhang zwischen einer Diät mit hohem GI und einem übermäßigen Polymorphismus des Adiponectin-Gens, der zu Insulinresistenz und Diabetes Typ II beiträgt.

Das Forschungsgebiet der Nutrigenomik hängt in hohem Maße von der jüngsten Entwicklung fortschrittlicher Technologien ab, die es uns ermöglichen, eine große Menge an Daten über Genvarianten zu verarbeiten. Diese so genannten „-omischen“ Technologien – Genomik, Proteomik, Metabolomik und Transkriptomik – ermöglichen es uns, viele verschiedene Arten von Molekülen gleichzeitig zu identifizieren und zu messen. Dies ist wichtig, da die meisten chronischen Krankheiten nicht durch monogene Mutationen (wie im Fall des Leptinmangels) oder durch einzelne genetische Effekte, die durch eine einzige Nahrungsexposition beeinflusst werden (wie Phenylalanin und PKU), verursacht werden, sondern durch komplexe Wechselwirkungen zwischen einer sehr großen Anzahl verschiedener Genvarianten.

Und hier liegt eine der größten Herausforderungen der Nutrigenomik. Aufgrund der komplexen Biologie des Menschen ist es schwierig, ein mechanistisches Verständnis dafür zu entwickeln, wie die biologischen Wirkstoffe der Nahrung in unserem Körper reagieren. Wie die optimale Zufuhr einzelner Nährstoffe für die Erhaltung menschlicher Zellen in einer „genomisch stabilen“ Weise definiert werden kann, ist noch weitgehend unbekannt. Unterschiedliche genetische Hintergründe erschweren die Vorhersage von Phänotypen zusätzlich, da manche Menschen für bestimmte Bedingungen anfälliger sind als andere. Das APOE-Gen beispielsweise weist drei verschiedene Phänotypen auf, von denen jeder eine andere Wahrscheinlichkeit für das CVD-Risiko hat und die alle unterschiedlich auf Ernährung und Lebensstilfaktoren reagieren.

Was bringt die Zukunft für die Nutrigenomik?

Obwohl in jedem der einzelnen „Omics“-Bereiche Fortschritte erzielt werden, ist eine wirksame Integration erforderlich, um umfassendere phänotypische Profile zu erstellen. In einem kürzlich von der NUGO herausgegebenen Leitartikel in Genes and Nutrition wird betont, wie wichtig es ist, in der künftigen Forschung einen Systemansatz zu verfolgen, wobei Humanstudien, die die Gesamtheit der Wechselwirkungen zwischen Ernährung und Ernährung einbeziehen, erforderlich sind, damit die Nutrigenomik ihr volles Potenzial entfalten kann.

Die Debatte über den relativen Einfluss von Genen auf die Entwicklung chronischer Krankheiten bleibt bestehen. In einem Konferenzvortrag von Professor Mathers aus dem Jahr 2017 zu diesem Thema (verfügbar in PNS) wies er darauf hin, dass trotz der 97 identifizierten genetischen Loci (Genvarianten), die zur Fettansammlung beitragen, die 97 Varianten zusammen weniger als 3 % der BMI-Varianz erklären. Weder die Gene noch unsere Ernährung allein können also vollständig erklären, warum manche Menschen eine Veranlagung haben, bestimmte Krankheiten zu entwickeln. Die Genexpression hängt von einem komplexen Zusammenspiel der Genetik mit der Umwelt des Einzelnen ab.

Zur Frage der personalisierten Ernährung und der Frage, ob die Nutrigenomik dazu beitragen kann, nachhaltige individuelle Ernährungs- und Lebensstiländerungen herbeizuführen, hat die kürzlich von der EU finanzierte multizentrische Food4Me-Studie versucht, einige dieser Fragen zu beantworten. Durch die Entwicklung von Algorithmen, die Informationen über die Ernährung, den Phänotyp und den Genotyp integrieren, deutet die Studie darauf hin, dass personalisierte Ernährungsansätze größere gesundheitliche Vorteile bieten können als die Befolgung von Standard-Ernährungsrichtlinien. Allerdings wurde kein signifikanter Unterschied zwischen einem personalisierten Ernährungsansatz, der sich auf Beratung stützt, und personalisierten Ansätzen, die genotypische und phänotypische Informationen nutzen, festgestellt.

Trotz Studien wie Food4Me sind wir noch nicht so weit, dass die öffentliche Gesundheitsversorgung routinemäßig personalisierte Ernährung oder Nutrigenomik umfasst. Eine 2012 durchgeführte Umfrage ergab, dass zwar etwa 80 % der griechischen Ärzte bereit waren, ihren Patienten einen nutrigenomischen Ansatz zu empfehlen, aber nur 17 % dies auch tatsächlich getan haben.

Bei der Zusammenführung von Bioinformatik, Ernährung, Epidemiologie, Molekularbiologie und Genomik gibt es noch viel zu entdecken und zu bestimmen, aber die künftige Nutrigenomik-Forschung wird zweifellos weitere faszinierende Einblicke in die Ernährungswissenschaft und das menschliche Genom liefern.

Chadwick, R. (2004). Nutrigenomik, Individualismus und öffentliche Gesundheit. Proceedings of the Nutrition Society. 63(1), 161-166.

Mathers, J.C., (2017). Nutrigenomics in the modern era. Proceedings of the Nutrition Society. 76(3), 265-275.

Ordovas, J.M., et al (2018). Personalisierte Ernährung und Gesundheit. The British Medical Journal. 361:bmj.k2173.

The World Health Organisation (2014). Global Status Report on noncommunicable diseases. Geneva: WHO Press.

Lampe, J.W., et al. (2013). Interindividuelle Unterschiede in der Reaktion auf Ernährungsinterventionen: die Integration von Omics-Plattformen für personalisierte Ernährungsempfehlungen. Proceedings of the Nutrition Society. 72(2), 207-218.

Mead, M.N. (2007). Nutrigenomics – The Genome-Food interface. Environmental Health Perspectives. 115(12), 582-589.

Ibid.

Ordovas, J.M., et al (2018). Personalisierte Ernährung und Gesundheit. The British Medical Journal. 361:bmj.k2173.

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