Musikwissenschaft, die wissenschaftliche Erforschung der Musik. Der Begriff Musikwissenschaft wurde erstmals 1863 von F. Chrysander im Vorwort zu seinem Jahrbuch für musikalische Wissenschaft verwendet, in dem er dafür plädierte, die Musikwissenschaft als Wissenschaft anzuerkennen und die Musikwissenschaft an die strengen methodischen Standards der Naturwissenschaften anzulehnen. Die Musikwissenschaft deckt ein breites und heterogenes Forschungsgebiet ab und befasst sich nicht nur mit dem Studium der europäischen und anderen Kunstmusik, sondern auch mit der gesamten Volksmusik und der nicht-westlichen Musik. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Musikwissenschaft das Studium der Geschichte und der Phänomene der Musik umfasst, einschließlich (1) der Form und der Notation, (2) des Lebens der Komponisten und Interpreten, (3) der Entwicklung der Musikinstrumente, (4) der Musiktheorie (Harmonie, Melodie, Rhythmus, Modi, Skalen usw.) und (5) der Ästhetik.) und (5) Ästhetik, Akustik und Physiologie der Stimme, des Ohrs und der Hand.
Die Anfänge der europäischen Musikwissenschaft finden sich in den Werken der Theoretiker der griechischen Antike, die sich vor allem mit spekulativer Philosophie und mit moralischen und ästhetischen Konzepten der Musik beschäftigten. Die numerischen Theorien der Griechen wurden von späteren arabischen und christlichen Theoretikern bewahrt, und ihre Klassifizierung der Modi überlebte, wenn auch in verfälschter Form, im mittelalterlichen Europa.
Die Neuerungen von Guido von Arezzo (c. 990-1050), zu denen die Verwendung des Hexachords und die Entwicklung der Musiknotation gehörten, bewirkten einen radikalen Wandel in den Methoden des Musikunterrichts, und die nachfolgenden Theoretiker befassten sich zunehmend mit der Verbreitung der Notationsprinzipien und der eher praktischen Elemente der Musiktheorie.
In der Renaissance wurde eine beträchtliche Anzahl von Werken veröffentlicht, die sich mit der Ästhetik, Theorie und Praxis der Musik befassten. Detaillierte Zeichnungen und Beschreibungen der Konstruktion von Musikinstrumenten begannen mit dem handschriftlichen Traktat von Henri Arnaut de Zwolle (um 1440); und Johannes Tinctoris gab in seinem De inventione et usu musicae (um 1487; „Über die Entdeckung und Ausübung der Musik“) eine Beschreibung der Instrumente und ihrer Funktion. Das erste gedruckte Buch über Musikinstrumente, Sebastian Virdungs Musica getutscht (1511; „Musik ins Deutsche übersetzt“), enthält Holzschnitte von Instrumenten und einige Hinweise zur Instrumentenpraxis und -technik.
Geschichten der europäischen Musik erschienen erstmals im 18. Jahrhundert. Dazu gehören G.B. Martinis Storia della musica, 3 Bände (1757-81; „Geschichte der Musik“), eine originelle kritische Studie über die Musik des Altertums, und De cantu et musica sacra, 2 Bände (1774; „Über Gesang und Kirchenmusik“), von Martin Gerbert, Abt von St. Blassien. Das letztgenannte Werk ist eine Studie über die sakrale Musik des Mittelalters und wurde von späteren Gelehrten intensiv genutzt.
Die moderne Musikwissenschaft mit ihrem praktischen oder phänomenologischen sowie ihrem historischen Ansatz zur Musik der Vergangenheit begann etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als Pioniere wie Samuel Wesley und Felix Mendelssohn ein breites Interesse an der Aufführung der Musik früherer Komponisten weckten. Im 19. Jahrhundert erschienen auch die Ausgaben der Gesellschaft von Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach, die von der neuen musikwissenschaftlichen Forschung unterstützt wurden. Nach der Jahrhundertwende führten die Forschungen von Gelehrten wie Johannes Wolf zur Erforschung mittelalterlicher Notationssysteme und zur Transkription und Veröffentlichung der Werke zahlreicher Meister des Mittelalters und der Renaissance.
Die neuen Wissenschaften der Psychologie und der Ethnologie übten einen Einfluss auf die Musikwissenschaft aus, ebenso wie die Untersuchung der Beziehung zwischen dem Leben und dem Werk eines Komponisten. Die darauf folgende Flut von Biographien verschaffte in vielen Fällen einen besseren Einblick in die Musik selbst.
Gegen Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Musikwissenschaft Teil des Lehrplans vieler Universitäten. Die zunehmende Spezialisierung innerhalb des Faches führte zu einer Vermehrung von Zeitschriften und Fachgesellschaften.