1 Einleitung
Clonorchis sinensis, Opisthorchis felineus und Opisthorchis viverrini (Phylum Platyhelminthes; Klasse Trematoda; Familie Opisthorchiidae) sind wichtige lebensmittelbedingte Leberegel, die weltweit etwa 24 Millionen Menschen infizieren und eine globale Belastung von mehr als 349.737 behinderungsangepassten Lebensjahren verursachen (Furst et al., 2012). Als weit verbreiteter Leberegel infiziert C. sinensis mindestens 15 Millionen Menschen vor allem in China, Vietnam, Korea und dem russischen Fernen Osten (Furst et al., 2012; Qian et al., 2016).
C. sinensis-Infektionen verursachen Clonorchiasis, eine vernachlässigte Tropenkrankheit (Qian et al., 2016). Eine Infektion mit C. sinensis führt häufig zu chronischen hepatobiliären Erkrankungen wie Leberfibrose und kann ein Cholangiokarzinom (CCA), einen bösartigen Krebs des Gallensystems, hervorrufen. Daher wurde C. sinensis von der Internationalen Agentur für Krebsforschung als Karzinogen der Klasse I eingestuft (Choi et al., 2004, 2011; Grosse et al., 2009).
Bislang gibt es keinen Impfstoff zur Vorbeugung von Clonorchiasis, und der Mensch hat keine Resistenz gegen eine Reinfektion (Qian et al., 2016). Die wiederholte Anwendung des einzigen empfohlenen Medikaments, Praziquantel (PZQ), erhöht das Risiko, dass der Egel eine Arzneimittelresistenz entwickelt (WHO, 2013). Um die Clonorchiasis besser kontrollieren zu können, wurde die Biologie und Epidemiologie des Parasiten erforscht, wobei der Schwerpunkt auf der Diagnose und Behandlung lag. Ein tiefes Verständnis der Molekularbiologie von C. sinensis ist jetzt möglich, unterstützt durch die Nutzung neuer transkriptomischer und genomischer Ressourcen, die mit Hilfe von Hochdurchsatz-Sequenzierungstechnologien gewonnen wurden (Huang et al., 2013; Wang et al., 2011; Yoo et al., 2011; Young et al., 2010). Das Genom von C. sinensis aus China bietet eine Grundlage für die Erforschung molekularer Pfade und Prozesse in diesem Leberegel. So kodiert das Genom von C. sinensis für eine ganze Reihe von Genen, die für den Stoffwechsel von Wirtslipiden erforderlich sind, enthält aber keine Gene, die mit der kanonischen Fettsäurebiosynthese in Verbindung stehen (Huang et al., 2013; Wang et al., 2011). Darüber hinaus kodiert dieses Genom für eine große Anzahl von exkretorisch-sekretorischen Proteinen (ESPs), von denen man annimmt, dass viele an den Wirt-Parasit-Interaktionen beteiligt sind. Es gibt jedoch keine detaillierten Informationen über die Funktionen biologisch relevanter Gene/Genprodukte oder den Grad der genetischen Variation zwischen verschiedenen geografischen Isolaten von C. sinensis.
Es wurde angenommen, dass ein einziges Kerngenom von C. sinensis ausreicht, um alle geografisch unterschiedlichen Isolate dieser Art zu repräsentieren (Huang et al., 2013; Wang et al., 2011). Hinweise auf karyotypische Variationen innerhalb von C. sinensis und kryptischen Arten innerhalb des verwandten Opisthorchiidenegels O. viverrini (vgl. Petney et al., 2013) machen jedoch deutlich, wie wichtig es ist, die Genetik geografisch unterschiedlicher Isolate von C. sinensis zu untersuchen und zu vergleichen. Frühere Untersuchungen ausgewählter genetischer Loci deuten darauf hin, dass die Variation dieses Parasiten durch verschiedene Faktoren wie Lebenszyklus, klimatische Veränderungen und Umweltanpassung beeinflusst wurde (Chelomina et al., 2014; Tatonova et al., 2012, 2013). So scheint zum Beispiel die geringe Nukleotid- und hohe haplotypische Variation im mitochondrialen cox1-Gen bei C. sinensis mit einer raschen Populationsausweitung nach der Eiszeit zusammenzuhängen (Chelomina et al., 2014; Tatonova et al., 2012). Eine solche Schlussfolgerung erfordert jedoch eingehende populationsgenetische Untersuchungen.
Es ist jetzt möglich, solche Untersuchungen auf Ganzgenomebene mit Hilfe von Hochdurchsatz-Sequenzierungstechnologien und fortgeschrittener Bioinformatik durchzuführen. Eine solche Forschung würde es ermöglichen, die genetischen Strukturen und Substrukturen von C. sinensis-Populationen sowie die Variation von Genen/Genprodukten, die an Infektions- und/oder Anpassungsprozessen beteiligt sind, zu untersuchen. Ziel dieses Kapitels ist es, einen Hintergrund zur Biologie, Epidemiologie, Pathogenese, Diagnose und Kontrolle von C. sinensis/Klonorchiasis zu liefern, den aktuellen Wissensstand zur Genetik, Molekularbiologie und Genomik von C. sinensis kritisch zu überprüfen und neue Sequenzierungstechnologien sowie genomische Werkzeuge und Ressourcen hervorzuheben, die jetzt für künftige genetische Studien dieses wichtigen Parasiten eingesetzt werden können.